Mensch sucht Sinn by Katharina Ebinger

Mensch sucht Sinn by Katharina Ebinger

Autor:Katharina Ebinger [Ebinger, Katharina]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
veröffentlicht: 2016-12-20T23:00:00+00:00


Kalpana spürte, wie eine schwere Müdigkeit sie überfiel. Wie Nebelschwaden lösten sich ihre Fragen auf. Auf der Fahrt nach Cetangaon schlief sie im Taxi ein.

Die Menschenmenge vor der Hütte des Heiligen war nicht kleiner als gestern. Der Astrologe fand schnell heraus, dass sich der Heilige seit gestern nicht gezeigt hatte. »Sie haben keinen Grund, traurig zu sein, dass Sie gestern nicht lange auf ihn warten konnten«, sagte er und setzte sich auf einen Stein im Schatten eines Baums.

Nach einer Weile hörte man, wie ein Gläubiger ein gefühlvolles religiöses Lied anstimmte: »Oh, unser Behüter! Zeig dich uns einmal!« Einige andere schlossen sich ihm an. Nach ein paar Minuten waren alle Wartenden von der Melodie mitgerissen und sangen mit. Ihre Hoffnung, dass der Heilige an der Tür erscheinen würde, wurde immer größer und der Gesang immer lauter. Davon wachte Kalpana irgendwann auf.

Es war zwei Uhr nachmittags und der Heilige schien sich nicht seiner Gläubigen erbarmen zu wollen.

Dilip und Usha wollten zurück nach Benares fahren. Kalpana und Mahesh gaben schließlich nach.

»Oh großer König, nicht jeder kann den Heiligen sehen, es sei denn, der Heilige ruft ihn zu sich«, sagte der Astrologe, als er die Familie in Benares vor dem Hotel verließ.

»Er hat uns ja gerufen!«, erwiderte ihm Mahesh.

»Dann vertrauen Sie sich ihm an!«

Am nächsten Morgen ging es Kalpana viel besser und sie sah wieder recht unternehmungslustig aus. Sie war überzeugt, dass sie heute den Heiligen sehen würde. Auch Mahesh hatte dieselbe Hoffnung. Usha und Dilip waren aber gegen die Fahrt nach Cetangaon. Sie wollten lieber die Stadt sehen. Den Durga-Tempel, Benares’ Hindu-Universität, Rajghat. Oder sie wollten eine Bootsfahrt auf dem Ganges machen.

Kalpana und Mahesh mussten ihre ganze Überredungskunst aufbieten, um Usha und Dilip dazu zu bewegen, wieder, ein letztes Mal, nach Cetangaon zu fahren

»Also fahren wir zu dem Heiligen, der sich seinen Verehrern nicht zeigt«, sagten Usha und Dilip, als sie sich ins Taxi setzten. Der Taxifahrer ließ den Motor anspringen.

»Oh großer König, die Wunder des Heiligen sind nicht zu ergründen!«, sagte der Astrologe, der plötzlich neben dem Wagen auftauchte und durch das Taxifenster sah.

»Fahren Sie heute nicht mehr nach Cetangaon, Swamisuta ist nicht mehr in seiner Hütte. Gestern Abend ist ein dummer Anhänger gewaltsam in die Hütte eingedrungen und hat ihn dort nicht mehr gefunden.«

»Also fahren wir zum Durga-Tempel! Möchten Sie mitfahren?«, fragte ihn Usha. Der Astrologe stieg ein und setzte sich neben Mahesh auf den Vordersitz.

»War er die ganze Zeit nicht in seiner Hütte, während die Gläubigen draußen auf seinen Anblick gewartet haben?«, fragte Kalpana und versuchte ihre Gedanken zu ordnen.

»Sicher war er in der Hütte! Sonst hätten seine Schüler die Tür nicht bewacht. Aber der Heilige mag keine Gewalt, also verschwand er plötzlich. Und nur derjenige kann ihn sehen, den er dazu vorherbestimmt hat. Das kann nicht jeder verstehen«, erklärte er und zeigte dem Fahrer den kürzesten Weg zum Durga-Tempel.

»Wissen Sie, wann der Heilige wieder in seine Hütte kommt?«, fragte Kalpana den Astrologen.

»Nur Gott weiß es«, antwortete der Astrologe.

Vielleicht werde ich niemals jemanden treffen, der mir meine Erinnerungen zurückgeben kann, dachte Kalpana enttäuscht.



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